Für Unions-General Grant war General Lee ein harter Brocken. Weder bei der Schlacht in der Wilderness (Virginia), noch bei Spotsylvania (Virginia) konnte er seinen Gegner bezwingen. Aber auch Lee selber konnte keinen entscheidenden Schlag gegen seinen Widersacher verbuchen. Die letzten beiden Schlachten gehörten zu den blutigsten des ganzen Krieges. 32000 Tote und Verwundete waren zwischen dem 5. und 12. Mai auf Seiten der Union zu beklagen. Bei den Konföderierten waren es zwar "nur" 18000, angesichts der geringeren Truppenstärke waren die Verluste prozentual jedoch eben so hoch. Dennoch war der Kampf damit noch nicht beendet. Im Gegenteil, jetzt sollte er erst richtig beginnen.


 Die Truppen beider Seiten wurden nun verstärkt, und wieder war die Anzahl der Unions-Soldaten größer als die der Konföderation. Dafür hatten die Soldaten der Südstaaten aber Kampferfahrung, während die der Union Neulinge waren. Grant hatte nach dem 12. Mai in Spotsylvania immer wieder versucht, Lees Flanken zu durchbrechen, jedoch ohne Erfolg. Schließlich musste er einsehen, dass derartige Flankenmanöver außer Tote nichts einbrachte. Also fasste er den Entschluss, Lee aus seiner Stellung zu locken, indem er seine Truppen 40 Kilometer weiter südlich marschieren ließ. Das Ziel war ein Eisenbahnknotenpunkt, der am Südufer des North Anna River lag. Durch dessen Bedrohung wollte Grant Lee zum Kampf provozieren. Dieser ging auf die Provokation ein, insbesondere, nachdem er von Grants Plänen erfahren hatte.


So kam es, dass die konföderierten Truppen früher den Schauplatz erreicht hatten, als die Vorhut der Union. Hier gruben sie sich ein und machten den Yankees durch ihre Präsens klar, dass diese hier genau das vorfinden würden, wie in Spotsylvania. Daraufhin gab es zwar einige kleinere Gefechte, auf eine größere Schlacht ließ sich Grant aber nicht ein. Statt dessen zog er es vor, weitere 32 Kilometer flussabwärts zu marschieren, um Lees rechte Flanke zu umgehen. Diesmal war sein Ziel eine Straßenkreuzung, die Cold Harbor genannt wurde. Auf dem Weg dahin mussten die Yankees zwei Flüsse überqueren, den Pamunkey River und den Totopotomy Creek. Bei der Überquerung gab es keine Probleme, obwohl sich die Konföderierten hinter dem zweiten Fluss wieder vorab eingegraben hatten. Ihr Kampfgeist war zwar groß, ihre Essensrationen aber klein, so dass sie zu geschwächt waren, sich dem Gegner massiv entgegenzustellen.


Am 31. Mai 1864 wurde Cold Harbor von einer Unions-Kavallerie, die unter dem Kommando von General Sheridan stand, erobert. Dieser Eroberung ging ein Kampf gegen die Kavallerie der Südstaaten voraus, die von Fitzhugh Lee, einem Neffen von General Lee, befehligt wurde. Danach mussten sich die Yankees gegen weitere Angriffe der konföderierten Infanterie zur Wehr setzten, bis der Gegner von Unionsinfanterie zurückgeschlagen werden konnte. In der Folgezeit erreichten immer mehr Truppen beider Seiten den Schauplatz. Am 2. Juni standen sich ca. 110000 Unionssoldaten und ca. 60000 Soldaten der Konföderation gegenüber. Auf einer Länge von elf Kilometer wurden nun zwischen dem Topoptomy Creek und dem Chickahominy River Schützengräben angelegt, in denen sich die jeweiligen Kriegsparteien verschanzten. Lee hatte in dieser Position keine andere Möglichkeit, als in der Defensive zu bleiben.


Seit der Schlacht in der Wilderness war der Feindkontakt nie völlig abgebrochen. Jeden Tag gab es kleinere und größere Gefechte. Lees Soldaten waren ausgelaugt und geschwächt. Aber am Ende, so wie Grant es dachte, war die konföderierte Armee noch nicht. Grant hatte nicht vor, den Feind aus den Schützengräben heraus tage- oder wochenlang zu beäugeln, und ihn durch kleinere Angriffe zu zermürben. Er wusste, dass ein solcher Zermürbungskrieg nichts bringen würde. Außerdem hatte er nicht alle Zeit der Welt. Denn es gab einige Regimenter, deren Dienstzeit langsam zu Ende ging. Nur durch einen Kampf auf freiem Feld, hätten seine zahlenmäßig stärkeren Truppen die Chance gehabt den Gegner völlig zu vernichten. Obwohl auch Grant Soldaten geschwächt waren, glaubte er, dass die Moral seiner Truppen besser sei, als die des Gegners. Und so gab er im Morgengrauen des 3. Juni den Befehl zum Sturmangriff.


Als die drei Korps auf die Mitte und die linke Seite der kompliziert angelegten Schützengräben zustürmten, wurden sie mit einem Kugelhagel empfangen. Nur einigen Regimenter gelang es, die erste Linie der Schützengräben zu durchdringen. Aber schon an der zweiten Linie wurden sie schon wieder zurückgeschlagen. 2500 Soldaten mussten dabei ihr Leben lassen oder wurden verwundet. Viele von ihnen hatten sich schon vor dem Angriff Papierstreifen mit Namen und Anschrift an ihre Uniform geheftet, um im Falle ihres Todes besser identifiziert werden zu können. Das zeigte, dass es mit ihrer Moral und Zuversicht doch nicht so gut bestellt war. Auch an anderen Fronten ging es den Unionssoldaten nicht besser. Bis zum Nachmittag waren 7000 Mann auf Unionsseite gefallen. Die Konföderierten verloren "nur" 1500. Schließlich brach Grant den Kampf ab, da er einsah, dass er sich geschlagen geben musste. Am Abend bedauerte er, den Befehl für den Sturmangriff gegeben zu haben.


Dennoch musste Lees Armee irgendwie aus den Gräben vertrieben werden. Dazu war es nach Grants Ansicht das Beste, die Nachschublinie des Feindes zu unterbrechen. Grants Pläne splitterten sich in drei Teile auf. General David Hunter sollte mit seiner Armee das Shenandoahtal südwärts hinaufmarschieren, um hier die Bahngleise zu zerstören. Danach sollte er die Blue Ridge überqueren, um in Lynchburg das Nachschublager der Konföderierten zu vernichten. Schließlich sollte er nach Osten in Richtung Richmond marschieren und hier ebenfalls Bahngleise und einen Kanal unbrauchbar machen. Gleichzeitig hatte Sheridan die Aufgabe, mit zwei Kavalleriedivisionen im Westen die Bahngleise von der anderen Seite zu zerstören. Grant selber hatte vor, sich von Cold Harbor zurückzuziehen, um möglichst schnell den Eisenbahnknotenpunkt in Petersburg zu erobern. Der Punkt verband Richmond mit dem Süden und hatte daher eine außerordentlich strategisch wichtige Bedeutung. Grant wollte auf diese Weise Lee dazu zwingen, sich endlich auf offenem Gelände zu stellen.


Zunächst hatte General Hunter Erfolg. In Piedmont (Virginia) besiegte er eine kleine Gruppe konföderierter Soldaten und konnte dabei ca. 1000 Gefangene machen. Seine nächste Station war der Ort Lexington. Auf dem Weg dorthin wurden die Truppen immer wieder von Partisanen überfallen. Die Anfälligkeit wurde umso größer, je weiter Hunter sich von seiner Basis entfernte. Ab Mitte Mai erreichte kaum noch ein Nachschubwagen Hunters Truppen. Die Verpflegung wurde immer knapper. Seine Soldaten hatten auch schon früher negative Erfahrungen mit Partisanen gesammelt und so gingen sie nicht gerade zimperlich mit denen um, die sie gefangen nehmen konnten. Als Hunter am 12. Juni in Lexington eintraf, beschränkten sich seine Soldaten nicht nur auf die Zerstörung von Militäreinrichtungen. Es wurde geplündert und gebrandschatzt. Am Ende hinterließ Hunter eine brennende Stadt. Nachdem er daraufhin den Blue Ridge überquert hatte, marschierte er in Richtung Lynchburg. Dort war aber die Zahl der konföderierten Soldaten, die für die Verteidigung der Stadt zuständig waren, auf ebenso viele verstärkt worden, wie die von Hunter; nämlich 15000. Ihr Kommandeur war Jubal Early. Hunter unternahm zwar am 17. und 18. Juni einige vorsichtige Vorstoßversuche, durch die Unterbrechung der Nachschublinie aber ging ihm der Vorrat an Munition aus. Angesichts dieser Tatsache, entschloss er sich daher für den Rückzug nach Westen. Durch das Shenandoahtal wollte er wegen der Partisanen nicht mehr ziehen, womit dieser Ort für die Konföderierten frei war.


Auch Sheridan hatte bei seiner Mission wenig Erfolg. Zwei Tage lang - am 11. und 12. Juni 1864 - kämpfte seine 7000 Mann starke Kavallerie gegen 5000 gegnerische Reiter bei Trevilian Station. Trotz der Überzahl konnte er den Feind nicht bezwingen. Teile seiner Kavallerie gelang es lediglich einige Bahngleise zu zerstören, die aber von den Konföderierten schnell wieder repariert wurden.


Unterdessen trat die gesamte Potomac-Armee in der Nacht vom 12. auf den 13. Juni ihren Rückzug aus Cold Harbor an. Während ein Korbs den Wasserweg zum James River nahm, erreichten die anderen vier über Land ihr Ziel. Um den Rückzug ungestört durchziehen zu können, wurden Scheinangriffe auf Richmond gestartet, die Lee ablenken sollten. So erreichten die Yankees dann am 14. Juni ungestört den James River. Über einer Pontonbrück, die von Pionieren vorab errichtet wurde, erreichten die ersten Truppen daraufhin das andere Ufer.


Gleich am nächsten Tag marschierten zwei Korps in Richtung Petersburg. Ein Korps stand unter dem Kommando von William F. "Baldy" Smith. Smith erreichte mit seinen Truppen als erstes die Stadt. Nachdem er die starke Verteidigungslinie vor Petersburg sah, sank seine Angriffslust auf dem Tiefpunkt.


Die Konföderierten hatten auf einer Länge von 16 Kilometer Schützengräben errichtet, die mit 55 Geschützen bestückt waren. Was Smith nicht wusste, war, dass die Stadt nur von einer Nottruppe von 2500 Soldaten gehalten wurde, dessen Kommandeur General Beauregard war. Eine derart große Frontlinie konnte normalerweise von einer so kleinen Truppe nicht verteidigt werden. Es wäre also ein leichtes gewesen, Petersburg zu nehmen. Als Smith sich kurz vor Sonnenuntergang dazu durchgerungen hatte, den Angriff auf Petersburg zu befehlen, konnte er am Ende feststellen, dass die erste Verteidigungslinie ohne große Mühe einzunehmen war. Gerüchte, dass Lee Verstärkung bekommen habe, veranlassten Smith jedoch dazu, von weiteren Vorstößen abzusehen. Eine derartige Zurückhaltung gab es auch an den Folgetagen bei den nachfolgenden Truppen. Immer wieder drangen die Yankees nach vorne und immer wieder konnten sie weite Teile der gegnerischen Linie erobern. Aber einen völligen Durchbruch erzielten sie nicht. Als Lee am 17. Juni erfuhr, dass Grant dabei war, die gesamte Potomac-Armee über den James River Von Cold Harbor nach Petersburgzu schaffen, setzte er alles daran, die Truppen in Petersburg zu verstärken, was ihm letztlich auch gelang. Zwar schafften es die Yankees am 18. Juni, durch Einzelangriffen die Konföderierten aus ihren Schützengräben zu vertreiben, besiegt war der Gegner aber dadurch nicht. Dieser zog sich bis zum Stadtrand zurück und den Yankees blieben nur die leeren Schützengräben. Der missglückte Versuch, die Konföderierten bei Cold Harbor durch einen Sturmangriff zum offenem Kampf zu zwingen, hatte bei den Yankees eine Art Cold-Harbor-Syndrom erzeugt. Niemand, der seine Erfahrung mit einem solchen Manöver gemacht hatte, war bereit, das noch einmal zu wiederholen. Der Grundgedanke der einzelnen Kommandeure war: "Lass die anderen erst einmal nach vorne gehen". Daher konnte ein konsequenter Sturmangriff nicht durchgeführt werden. Nachdem General Meade erkannt hatte, dass ein gemeinsamer Angriff bei dieser Moral nicht möglich war, befahl er jedem Kommandeur, unabhängig voneinander vorzugehen. Aber auch das brachte nicht viel. Zunächst robbten die Soldaten zwar auf den Feind zu, für einen Sturmangriff mussten sie aber auf offenem Gelände aufstehen und angreifen, und dabei wären sie dann höchstwahrscheinlich von mindestens einer Kugel getroffen worden. Also weigerten sie sich weiter zu machen. Und die Regimenter, die es dann doch wagten, kamen am Ende zum größten Teil nicht mehr zurück. Jetzt erkannten Meade und Grant endlich, dass auch hier ein Sturmangriff keinen Sinn machte. Also wurde der Kampf abgeblasen. Aus dem Krieg der offensiven Manöver wurde ab dem 19. Juni ein Belagerungskrieg.


Die Kampfmoral, die die Potomac-Armee bei der Schlacht in der Wilderness bewiesen hatte, hätte wohl auch hier einen Sieg hervorgerufen. Mittlerweile waren aber sieben Wochen vergangen, ohne das den Soldaten eine Ruhepause gegönnt wurde. Viele tapfere Veteranen waren in dieser Zeit gefallen und Tausende von Soldaten hatten kurz vor ihrem Abschied aus der Armee nicht mehr vor, ihr Leben zu riskieren. Eine Kampfmoral wie in der Wilderness gab es also nicht mehr. Seit dem 4. Mai wurden mittlerweile 65000 Unions-Soldaten getötet oder verwundet. Das sind 60 Prozent von denen, die in den letzten drei Jahren dem Krieg zum Opfer gefallen sind.

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